Dienstag, 27. Juli 2010

Wegen dem Wetter

Die hier verwendeten Namen verstoßen nicht gegen das Datenschutzgeheimnis – nur die beteiligten Personen selbst.

Wegen dem Wetter“ war nämlich die Antwort am anderen Ende der Leitung auf meine Frage, warum die Rufnummer nicht angezeigt wird. Alles, was danach kam, war nicht minder lächerlich, wenn nicht sogar frech.

Seitdem ich wieder zu Hause bei meinen Eltern wohne, muss ich täglich ungefähr fünf Anrufe der besonderen Art entgegennehmen. Leider hat einer unserer Telefonhörer eine defizitäre Anzeige, wodurch auf dieses Gerät immer „Unbekannt“ anruft. War das Ganze am Anfang einfach nur nervtötend, mach ich mir jetzt einen Spaß draus und übe auch bei den angezeigten 0157- oder Auslandsnummern Gesprächsführung, sozusagen. (Nicht rangehen, reinbrüllen oder gleich wieder auflegen haben wir schon hinter uns.)

Der vom „Wetter“ gestörte Anrufer namens Günther Weber (Name nicht vom Autoren geändert, sondern vom Anrufer selbst…), hatte heute aber keinen guten Tag. Nur weil ich gleich am Anfang wissen wollte, wie er heißt und wer sein Auftraggeber ist, war er gleich mehr als gereizt. Diesmal war die Firma übrigens der sogenannte „Presseservice“: nein, keine Umfragegesellschaft, sondern eine dieser herrlichen Telefonsperr-Firmen wie Deutscher Auftragsservice, Telefondienst etc.

Jahrelang mussten wir uns schon mit den Gewinnfüchsen und Lottofeen rumschlagen. Nachdem diese dann allmählich das Feld geräumt hatten, kamen ihre Tochterfirmen nach, die die Kündigung eines vermeintlich bestehenden Vertrags anboten. Der Kampf im Telekommunikationsdschungel ist aber immer noch nicht beendet, momentan sind nämlich vermeintliche Drachentöter am Zuge, diejenigen, die sich als Datenschützer anpreisen.

So auch Herr Weber, der mich im Lauf unseres eigentlich nie (!) angenehmen 5-Minuten-Gesprächs nicht nur einmal als „Frosch“ bezeichnet, sondern sonst auch verbal abrutscht. Ich erfuhr dabei, dass der Arme nur 200€ im Monat verdient; und ich will mir tatsächlich nicht von ihm helfen lassen, für übrigens viel mehr als 89€ im Jahr (das war das Angebot des „Telefondienst“ letzte Woche). Wie viel genau, habe ich nicht erfahren und weil ich nicht kooperieren wollte, drohte er mir, meine Daten an die russische Mafia zu verkaufen – dann hätte ich mehr Probleme (er aber auch einen höheren Verdienst).

Die Daten, tja. Die haben solche „Helfer“-Firmen natürlich auch. Wer wem wann welche Daten zuschustert, ist leider nicht mehr nachvollziehbar. Woher hatte sie zum Beispiel der „Telefondienst“?

„Die haben wir bekommen.“
„Wie denn? Geklaut oder gekauft?“
„Nein, wir haben sie bekommen.“

Die Logik bleibt bei solchen Gesprächen gern mal auf der Strecke und man darf ruhig auch mal 15 Minuten lang durchlachen, wirklich! Legen Günther Weber & Co. nämlich nicht gleich auf nach einem bestimmenden„Wer ist da bitte dran??“, können sie ziemlich hartnäckig sein.

So ist’s mir auch letzte Woche ergangen: Insgesamt eine Viertelstunde – mit einer kurzen Unterbrechung – wollte mir Ralf Mayhuber (oder Ralph Maihuber?!) vom „Telefondienst“ sein Angebot andrehen, damit wir für 89€ jährlich nicht mehr von den Telefonfirmen belästigt werden.

„Warum wird Ihre Rufnummer nicht angezeigt?“
„Ah, wir haben da Probleme im Netzwerk.“
Ja, genau…

„Wie schreibt man denn Ihren Namen, mit I oder Y?“
„Wie Sie wollen!“
Perfekt…

„Wer ist denn Ihr Vorgesetzter?“
„Markus Bebe.“
„Wie bitte?!“
„M-A-R-Q-U-S B-E-R-B-E-R.“
„Markus mit Q!? Sind Sie sich sicher?!”
„Ja, das gibt’s oft!“
Marqus Bebe war übrigens nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch sein Manager. So könnte übrigens auch der nächste DSDS-Star heißen.

„Wo haben Sie eigentlich plötzlich dieses „freilich“ mit dem rollenden R her?“
„Aus Nürnberg.“
„Aha, aber sonst hört man nicht, dass Sie aus Franken kommen…“
„Ich bin ja auch in München, der größten Stadt Deutschlands!“
Meine Frage nach seiner Aufenthaltsdauer in Deutschland hat er mir dabei übrigens nicht beantwortet.

Lustigerweise tragen alle Anrufer immer urdeutsche Vor- und Nachnamen, brillieren aber durch ihr nicht akzentfreies Deutsch. Apropos, heute war auch ein Herr Gärtner mit dabei, von „Direct Win“, mit dem Angebot der Kündigung. Meine Ankündigung, er befinde sich in einer Fangschaltung und dass das Gespräch aufgezeichnet wird, reagierte er sehr locker:

„Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich das Gespräch aufzeichne.“
„Das mach ich auch!“
„Sie wissen aber schon, dass sich rein rechtlich mich darauf hinweisen müssen!“
„… Gut, dann mach ich sie aus…“ Man hört zwei Tastentöne.
„Sie haben gerade auf dem Hörer die Aufzeichnung ausgeschaltet?!“
„Nein, ich rufe mit Skype an.“
„Und da sind das zwei Tasten?“
„Ja, die Stopp-Taste.“

Um uns schließlich die Kündigung zuschicken zu können, benötigt er natürlich unsere Daten: Ihm fehle nur die PLZ, das Programm seines Chefs hat da einen Fehler… Nach fünf langen Minuten hat er mir dann endlich geglaubt, dass man das im Internet ziemlich leicht herausfinden kann (auch mit dem Hinweis, dass es unseren Ortsnamen nicht oft gibt). Unnötig zu erwähnen, dass die Homepage (direct-win.de) nicht existiert – und dass er sich nach der Online-Suche nach der PLZ nicht mehr gemeldet hat. Zurück zu Herrn Mayhuber:

„Da hat doch gerade jemand ganz laut HALLO im Hintergrund gerufen?!“
„Nee, ich höre nichts, ich bin allein.“
„Aber man hört doch Stimmen im Hintergrund!“
„Moment – nein, da ruft niemand.“

Ja, JETZT natürlich nicht mehr, gerade eben ja schon noch. Oft sind die Verbindungen auch so miserabel, die Call-Center-Nebentelefonate so laut und die Aussprache so ausbaufähig, dass man eh nichts versteht und am liebsten x-mal einfach nur „Hallo?!? Haaaallo?!? Haaaallooooo!?“ in den Hörer brüllen möchte – und das am besten auch tut.

Der eine Schritt

Vom (Un-)Glück, den einen Schritt machen zu müssen.

Nein, stolz bin ich auf die Sache an sich nicht. Wie könnte ich auch stolz auf etwas sein, was ich nicht gemacht habe, sondern nur bin, auf etwas, das ist? „Ich bin stolz, Deutscher zu sein“ ist genauso lächerlich wie stolz darauf zu sein, auf dem Planeten Erde zu leben. Ich bin, was ich bin und wer ich bin, und das ist auch gut so. Aber Stolz? Schmarnn/Iwo. Gay pride? No way.

„Ach, das ist doch nur ‘ne Phase! Hab einfach noch mehr Geduld!“ Um solche Sätze zu hören, muss man einen Schritt getan haben: den Schritt aus dem Schrank, the coming out of the closet; und dieser Schritt kann schwerer sein als alles, was man in seinem bisherigen Leben durchgemacht hat.

Warum wagt man einen solchen Schritt, wo man doch unmöglich vorhersehen kann, wie die Umwelt reagiert? Warum sich freiwillig in eine absolut angreifbare Situation bugsieren? Mit welchem wie auch immer gearteten Ziel?

Die Hollywood’eske Idee, das Schwulsein sei nur ein Vorwand, eine Art Tarnung à la Wolf im Schafspelz, um ungehindert Zugang zu Frauenschlafzimmern zu bekommen, ist zwar lustig, kann aber in der Praxis nicht bestätigt werden. Und sie wirkt eher kontraproduktiv bei Homosexuellen, die sich ihrer Neigung noch nicht sicher sind. Der Tritt aus dem Schrank ist die Offenbarung des Innersten, das Öffnen von Schleusen, das „Ja, ich bin ich“ an die Außenwelt. Jedoch immer begleitet von der Angst vor den Reaktionen. Ein schwerer Schritt.

Aber dieser Schritt ist auch etwas Besonderes, denn viele Menschen müssen diesen Schritt nie tun! Es gibt zwar Bekenntnisse aller Art, aber das Coming-Out ist einmalig; auch in dem Sinne, dass es nicht wiederholt werden muss. Andere Bekenntnisse, die garantiert niemals mit einem Schulterzucken aufgenommen werden, wie zum Beispiel „Ich bin schwanger“ oder „ich hab’ne Andere“, sind Situationen, die mehr als einmal vorkommen können.) Allerdings kann es passieren, dass man bei jeder neuen Bekanntschaft noch mal auf die offene Schranktür hinweisen muss – sofern man will.

Ja, ich bin stolz darauf, diesen Schritt getan zu haben. Und bei jedem Mal empfinde ich wieder so etwas wie Stolz – aber auch Scham, wenn ich das Thema bewusst umgehe (Reisen im konservativen Umfeld, Verwandtschaft). Ich durchlebe noch immer einen Lernprozess, der wohl nie endet: Wann ist es angemessen, auf meine sexuelle Neigung hinzuweisen?? Wann habe ich nichts zu befürchten? Wann muss ich für die Sache einspringen und sie „verteidigen“? Gerade beim Letzten habe ich noch viel Nachholbedarf und meine Antwort auf diese Frage muss lauten: immer!

Denn als Homosexueller lernt man Diskriminierung kennen, auch heute noch gibt es zahlreiche unangenehme Situationen: Sei’s der „schwule Pass“, den man nicht im Fußball spielen sollte, die Beschimpfung Anderer als „schwule Sau“, Fragen nach sexuellen Erfahrungen oder die versteckte Schwärmerei für einen Klassenkameraden. Und über allem schwebt die Angst davor, „entdeckt“ und verachtet zu werden. Auch als heterosexueller Junge durchlebt man zwar viele Schwulitäten, aber man kann sich sicher sein, dass zumindest EIN großer oder wichtiger Teil seines Umfeldes oder der Gesellschaft konform denkt (Familie, Freunde, Kirche etc.).

Wer Diskriminierung kennenlernt, wird generell für Andersartigkeit sensibilisiert (leider jedoch nicht alle). Man entwickelt einen besonderen Blick auf die Welt, gewinnt sozusagen eine weitere Perspektive, nämlich die einer Minderheit. Einer Minderheit, die kämpfen muss, weil sie ist, was die Mehrheit nicht ist.

Ich bin nicht nur schwul, sondern auch. Ich bin es nicht geworden, ich war es schon immer, und ich bin es und werde es sein. Es ist ein Teil von mir, aber nicht mein Leitprinzip. Und „schwul“ im Sinne eines gewissen Lifestyles oder Lebensentwurfs hat schlichtweg nicht zwangsweise etwas zu tun mit „schwul“ im Sinne von „ich fühle mich von Frauen einfach nicht sexuell angezogen“.

„Was? Du bist schwul?“ ist praktisch das fleischgewordene Denken hinter letztgenanntem Konzept: Schwul ist, wer Schwules tut. Wir alle müssen Abschied nehmen von solchen verkrusteten Ideen. Letztendlich muss es unser aller Ziel sein, dass ein Coming-Out nicht mehr nötig ist und dass es keinen Schrank in diesem Sinn mehr geben darf, in dem man sich erst verstecken muss.

Doch solange die Gesellschaft noch so funktioniert wie momentan, haben wir Homosexuelle die Chance, uns zu beweisen: Ja, wir haben einen schweren Schritt getan, unser „richtiges“ Inneres offenbart, uns auf Unvorhersehbares eingelassen! Darauf wiederum kann man wirklich stolz sein.

Coming-Out beim Schützenfest

Eine Rundumschau durch die internationalen Pressestimmen

Bis jetzt langweilt der FIFA World Cup 2010 schon ein bisschen. Auch sechs Spiele nach dem fulminanten Auftakt der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft gilt das 4:0 gegen Australien immer noch als das Beste, was man in den letzten Tagen in Südafrika an Spielkunst gesehen hat. Daher war ich interessiert an den internationalen Meinungen zu dieser Partie.

Zunächst war ich auf die britische Presse gespannt, denn eine irgendwie geartete Kriegsmetaphorik ist in der Yellow Press schnell abgetippt. Dennoch bekam ich die ersten Meldungen auf Deutsch zu lesen – und wovon ist da die Rede? Vom „Schützenfest“ … Gut, Tore schießt man in Deutschland und jemand, der Tore schießt, ist ein Torschütze: viele Schüsse machen also ein Fest. Okay. Die nächste Schlagzeile schlägt in dieselbe Kerbe: „Löws ‘Young Guns‘ schießen ‘Aussies‘ ab“ (de.eurosport.yahoo.com)… Tja, eine Gun ist nun mal ein Schuss-Gerät, und unsere National-Geräte, wenn man sie so nennen will, sind jung. So viel dazu.

Unser Fußball-Vokabular klingt also etwas martialisch – man denke natürlich auch noch an die Blutgrätsche, die ja schon zum Tackling „entschärft“ wurde. Apropos Schärfe, Bälle verlassen Özils Fuß, „um Viererketten zu teilen wie ein heißes Messer die Butter“ (AZ, 15. Juni 2010).

Und apropos Özil, schon mal aufgefallen, dass wirklich alle Mesuts türkischen Nachnamen richtig aussprechen, also mit einem stimmhaften S und eben nicht mit einem Z? Cem Özdemir hat da immer noch das Nachsehen. Wobei die Aussprache der Namen von Fußballern wieder ein ganz andere Baustelle ist…

Auf Französisch und Spanisch markiert man übrigens Tore und auf Englisch scoret man sie (vgl. „What’s the score?“ als Frage nach dem Spielstand), alles also viel friedlicher. Dafür ist immerhin unsere Nationalhymne unblutiger – was man bei den Öffentlich-Rechtlichen dank Video-Text-Tafel 888 bei jedem Spiel vor dem Anpfiff nachlesen kann.

Schließlich finde ich doch Pressestimmen aus dem Vereinigten Königreich. Leider – oder doch fortschrittlich für die Insel, was sie am heutigen Tag übrigens auch in einer viel wichtigeren Sache bewiesen hat – war nur vom „old enemy“ (www.thesun.co.uk) die Rede. Kein Panzer-Image? Nein, das kam eher von anderen WM-Teilnehmern – zu denen kommen wir gleich. Kein Blitzkrieg-Vergleich? Nein, nicht die Briten haben den Bezug zum 2. Weltkrieg hergestellt, sondern Moderatorin Müller-Hohenstein mit ihrem Kommentar zu Kloses „inneren Reichsparteitag“… und schließlich die Presse des Gastgeberlands selbst: So schreibt The Star (www.thestar.co.za) „German blitzkrieg sink Socceroos“.

Italien spricht dafür aber von einem Panzer, und zwar von einem „multi-ethnische[n] Panzer mit vortrefflichen Füßen“ (AZ; 15.06.2010), eine reichlich interessante Formulierung. Was sagt das Original? „… la Germania multietnica ha buona mira e piedi generosi.” (www.lastampa.it) Also ein gutes Auge und kein personifizierter Panzer. Hm, komisch, zumal auch der Rest des Artikels frei ist von kriegerischem Vokabular.

Vielleicht hat unser Nachbarland Frankreich ja etwas zu bieten. Voilà, laut Libération sieht’s so aus: „Die Deutschen überrollen alle, mit Özil als Drehscheibe, der nach allen Seiten Raketen abschießt“ (AZ; 15.06.2010). Ja, richtig, die Deutschen schießen eben Tore, und ein schneller Schuss wird gern mal Rakete genannt. Mal schauen, ob hier wenigstens im Original ein Panzer war, der dann nur weg-übersetzt wurde.

„…les Allemands déroulent, déferlent, avec Özil en plaque tournante pour lancer de jeunes fusées sur les côtés“ (www.liberation.fr). Gut, nicht so einfach zu übertragen, aber liest man weiter, mit Kontext und allem, dann lief hier wieder etwas falsch: dérouler hat erst mal nichts mit über-rollen zu tun, sondern mit ent-rollen, also sozusagen ab-spulen. Zieht man dann z.B. pons.de zu Rate ergibt sich aber wieder ein interessanter Quer-Vergleich zum passend übersetzten déferler, schaut man sich das dort eingetragene Beispiel dazu an:

… une vague de terrorisme déferle sur la France = eine Welle des Terrorismus überrollt Frankreich

Und die jeunes fusées, also junge Raketen kann bzw. muss man wieder mit den oben erwähnten young guns in Beziehung setzen – und ja, damit sind die Mitspieler Özils gemeint, die er als Regisseur des Spiels umherschickt und nicht vielleicht die Schüsse, was die verkürzte Übersetzung vermuten lassen könnte.

In der französischen Presse behält der Bremer übrigens seine Umlaut-Punkte sowie in Argentinien, in den englischsprachigen Medien und in Spanien und Italien büßt er sie jedoch ein (Ozil); Müller ereilt dieses Schicksal wiederum nur in englischen Texten: Während The Sun sie einfach weglässt (Muller), tauscht The Star sie gegen ein E ein (Mueller).

Und am Ende findet sich noch eine weitere Pressestimme, die wirklich Erwähnung verdient und alles andere in den Schatten stellt:

„Das neue Deutschland ist ein Skandal!“ (sueddeutsche.de)

Wieso ist guter Fußball ein Skandal? Habe ich etwas verpasst?! Laut Angabe ist diese Überschrift aus der spanischen Fußball-Zeitung Marca die Fußball-Zeitung überhaupt. Da sie aber im Original auf Spanisch ist, handelt es sich eben um eine Übersetzung. Und was steht im Original-Ausschnitt? „La nueva Alemania es un escándalo”.

„Éscandalo“ hat aber im Spanischen relativ wenig mit der negativen Bedeutung eines „Skandals“ zu tun, sondern vielmehr mit dem Drumherum, dem Lärm und der Aufmerksamkeit: „La Mannschaft“ hat auf die Pauke gehauen, hat sich lautstark zu Wort gemeldet, hat 90 Minuten in die Vuvuzela getrötet! Das war los – und nicht diese Übersetzung, die ist der Skandal!

Bei www.sport.de geht’s aber unter derselben Skandal-Überschrift noch weiter: „Deutschland blendete bei seinem Coming-Out in Südafrika.“ Aha, ein Coming-Out? Erst verpasse ich den Skandal und dann noch ein Coming-Out – auch noch im Fußball und bei der WM?! Auch hier diente Marca als Vorbild mit den Worten „Exhibición de los alemanes…“

Skandal wird wortwörtlich übersetzt, Exhibition wird aber mit einem Coming-Out in Verbindung gebracht. Wie beim Exhibitionismus geht es aber lediglich um eine Zuschaustellung – und Exhibitionisten sind nicht zwangsweise schwul… Hier geht es schlicht und einfach um eine Zuschaustellung des deutschen Fußballs! Nicht nur der Fußball an sich, und die Fußball-Welt im Allgemeinen, nein, auch Fußball-Reporter scheinen nicht so viel Ahnung von Homosexualität zu haben…

Oder ist mit dieser Übersetzung vielmehr gemeint, dass sich die deutsche Nationalmannschaft geoutet hat?! Gilt schwuler Fußball jetzt etwa als guter Fußball, quasi die Rehabilitierung des Wortes schwul? Wird man bald auf den Fußballplätzen der Provinz einen schlechten Pass als auch einen solchen bezeichnen und nur noch eine Steilvorlage, die zum Tor führt, einen schwulen Pass nennen?

Wir hoffen, der Übersetzer hatte diese Vision, so wie Olli Kahn nach dem Brasilien-Spiel auch sicherlich genau folgendes sagen wollte: „… bezeichnend war auch Maicon, der dann endlich steil gegangen ist…“

PS: Dank der gelungenen Übersetzung auf sport.de erschien am 15.06. diese Seite bei Google als Nummer 1, wenn man folgende Wörter eingab: Deutschland, Skandal, Coming-Out :)


Hier die entsprechenden Artikel und noch weitere „übersetzte“ Schlagzeilen, alles vom 15.06.2010:

http://de.eurosport.yahoo.com/13062010/73/wm-2010-loews-young-guns-schiessen-aussies.html

http://www.lastampa.it/sport/cmsSezioni/sudafrica2010/201006articoli/27466girata.asp

http://www.liberation.fr/sports/0101641251-l-australie-prend-un-bon-coup-de-rhin

http://www.marca.com/2010/06/13/futbol/mundial_2010/1276460736.html

[Der ganze Artikel liest sich im Original übrigens wunderbar!]

http://www.sport.de/cms/wm-2010/news/dfb-team.html?startid=347369

http://www.sueddeutsche.de/sport/pressestimmen-zum-das-neue-deutschland-ist-ein-skandal-1.958945-2

http://www.thesun.co.uk/sol/homepage/sport/football/worldcup2010/3012122/Germany-4-Australia-0.html

http://www.thestar.co.za/index.php?fArticleId=5513099

Der aufoktroyierte Super-GAU

„Ich möchte bitte dasselbe!“ Freundlich bitte ich die Frankfurter Crêpes-Frau darum, mir auch eins mit Kirschen zuzubereiten wie meiner Vorgängerin; jedoch macht ihre Antwort nicht nur die Kirschen sauer: „Das ist aber der Gleiche und nicht derselbe!“ Als Bedienung hätte sie ihr Trinkgeld aufs Spiel gesetzt; so kann ich aber nur mit einem müden Lächeln erwidern.

Ja, klar, wir wissen es alle: DASSELBE bezieht sich auf ein weiteres Referenzobjekt, was identisch zum Erstgenannten ist – DAS GLEICHE bezeugt lediglich eine Ähnlichkeit zum Vorgängerobjekt. Dass ich aber die Crêpes-Frau nicht um den Crêpe (oder die Crêpe?!) meiner Vorgängerin gebeten habe – also dass sie hinter ihrem Stand vorkommt, meiner Bekannten den Eierkuchen aus der Hand reißt und ihn dann feierlich mir übergibt… Aber, was hätte das dann eigentlich gekostet?! Wäre sicher billiger gewesen als der Kauf an sich. Und lustig zum Anschauen wär’s auch gewesen!

Wir merken uns also: Wenn ich vom selben Brot esse wie du, dann gibt es nur ein Brot; wenn ich das gleiche Brot schmiere wie du… nee, Moment. Das geht nicht, so klappt das nicht. Noch ein Versuch: Wenn ich dieselbe Hose habe wie du, dann gibt es nur eine Hose, also hab ich sie dir geklaut oder du mir; wenn ich die gleiche Hose habe, dann waren wir beide bei H&M. Gut repräsentiert wird das Ganze auch durch die Wendung EIN UND DASSELBE, wodurch eben der Bezug auf ein einziges Objekt hergestellt wird. [Es ist jedem Leser selbst überlassen, sich gleich noch weitere Beispiele ähnlichen Musters zu überlegen.]

Um künftig jedoch solche mühseligen Diskussionen zu vermeiden, könnten wir ja umsteigen, und zwar vom Zug von Selb nach Gleich auf den von Ähnlich nach Identisch: „Ich hätte gern das Identische!“ Ja, das ist dann eindeutig, da kommt dann keiner mit „Sie meinen aber das Ähnliche…!“ Und damit wär die Brez’n gegessen, oder eben der Crêpe (oder die Crêpe?).

Doch nicht nur auf dem Frankfurter Marktplatz beim Federweißerfest, auch sonst wo in Deutschland erleben wir tagein tagaus, wie wir in unserem Alltagsgebrauch von germanistischen Besserwissern verbesserwissert werden – ohne aber fei davor gefeit zu sein, es selbst zu tun!

Tatort Rostock, Küche in der WG einer Freundin. Wir reden und quatschen über dies und das und plötzlich entrutscht ihr ein „einzigster“… „Oh, hab ich das gerade echt gesagt? Ich!? Das ist mir noch nie passiert!“ Ich fand es jetzt zwar nicht so schlimm, sie wollte aber am liebsten gleich eine WG-Phrasen- und Falsches-Deutsch-Kasse aufmachen. Ja, EINZIGST ist im Prinzip nicht korrekt, denn wir haben schon EINZIG – in solch schönen Wendungen wie EINZIG UND ALLEIN und EIN EINZIGER – und das drückt semantisch schon diese besondere Singularität aus.

Aber muss man dieses draufgesetzte, ja gar aufoktroyierte Superlativ-Suffix gleich wie einen Super-GAU behandeln? Ist nicht EINZIGST einfach eine einfallsreiche Ad-hoc-Bildung, die schlichtweg EINZIG noch verstärken möchte? ZUR VOLLSTEN ZUFRIEDENHEIT, IN KEINSTER WEISE etc. Egal, ob es nun Elativ oder Hyperlativ heißt, solche unlogischen Bildungen gibt es durchaus öfters im Alltagsgebrauch genauso wie in der Standardsprache: Und dann käme ZU ALLERLETZT auch der ALLERBESTE Besserwisser GANZ UND GAR NICHT darauf, dafür in die WG-Kasse zu zahlen. Eher noch für die zwei hier weiter oben eingeschmuggelten “bösen” Begriffe.

So superlativst kommt nämlich auch der Super-GAU daher. Jahrelang schon wird er umgangssprachlich bekämpft, aber der super-größte anzunehmende Unfall hat unseren Gebrauch dermaßen befallen, dass man das SUPER nicht mehr wegbekommt (und außerdem gibt es ihn auch rein technisch). „Das wär’ ja der GAU!“ Da fehlt einfach etwas. Darüber hinaus ist es homophon zum GAU, dem Landstrich, wie in BREISGAU oder ALLGÄU. Außerdem klingt es wie ein x-beliebiger Nachname, oder fast schon wie GAUDI oder gar GAUDÍ. Also das SUPER muss mit, ganz klar, sonst wird man nicht verstanden! Oder sind es gar nicht die Otto Normalsprecher? Sind es sogar eher die Medien, die ihre Superlative heutzutage zu sehr lieben und sie uns quasi aufoktroyieren!?

Oh, ja, da schon wieder! Die AUF-Bewegung steckt doch schon im OKTROYIEREN drin! Beziehungsweise die Bewegung von oben nach unten. Sollten wir also von OKTROYIERTEN SYSTEMEN sprechen? Würden da nicht 100% aller Sprecher stutzig werden und eben nicht nur die Besserdeutschis? Die Einen, weil es ungewohnt klingt und die Anderen, weil sie über den korrekten Gebrauch verwundert sind…

"hab meine homosexualität gerade mal aufs Eis gelegt"

Das war die Antwort eines Freundes auf meine Frage nach seinem Befinden. Wir Schwulen sind ja bekanntlich auch gleich direkter und erzählen gern und ausführlich aus unserem Sexualleben. Mach ich jetzt nicht immer unbedingt – aber es kommen auch nicht viele Fragen dazu. Ja, man kann nämlich auch erst erzählen, wenn jemand einem eine Frage gestellt hat.

Rein pragmatisch war meine eigentliche Frage konkret nicht so gemeint („Und, alles klar bei dir“?), jedoch herrscht im Schwulsprach (frei nach Orwell) das Übereinkommen, dass diese Frage auf den sexuellen Beziehungsstatus abzielt. Klingt komisch, ist aber so. So weiß man alsbald, wo und wie man dran ist. (Wenn man das selber mal erfahren will, kann man sich ja einen Fake-Account bei schwulen Web 2.0-Netzwerken erstellen und ausprobieren.) [Anm. d. Autoren: Hab jetzt bei der Durchsicht des Protokolls festgestellt, dass ich ihn gefragt hatte, ob er beim Lovepop – einer lesbischwulen Party-Reihe – war; also war ich doch konkreter. Aber ist ja an sich wurscht, oder?! Also Freiheit des Autoren :) Apropos, Word sagt, dass’s „des Autors“ heißt…]

Wer jetzt aufgepasst hat, dem ist ganz am Anfang etwas aufgefallen. Es heißt sehr wohl eigentlich „etwas auf Eis legen“, also „ruhen lassen“. Und ja, berechtigte Frage: Wie kann man seine Sexualität „ruhen lassen“? Ist sie nicht immer da und kann nur verneint oder versteckt werden? Oder nur die Neigung, und mit Sexualität ist hier die körperliche Lust gemeint? Und wäre folgende Aussage nicht einfach viel interessanter: „Ich habe meine Homosexualität aufs Kreuz gelegt“?

Da haben sich wohl zwei Sprichwörter und zwei Inhalte wunderbar vermischt. Natürlich meinte mein Bekannter nicht, dass er seine Neigung still hält, sondern nur deren Auslebung; wodurch er wiederum die Neigung doch „still“ hält, irgendwie. Aber homosexuell ist er weiterhin. Wenn sich nichts ergibt, ist das auch nicht weiter schwer. Finden kann man allerdings immer etwas, das ist bekanntlich kein Problem. Aber das ist definitiv nicht mein angestrebtes Ziel – andere können das ruhig machen, brauchen sich dann aber nicht zu wundern.

Und trotzdem muss ich selbst meine Homosexualität nicht auf Eis legen – sie existiert und ich lebe sie so aus, wie es für mich passt; nur merken tun das halt die wenigsten. Wenn der „Markt“ größer und ansprechender wäre, wäre meine Nachfrage letztendlich auch erfolgreicher. Das mit dem Ausleben kommt jetzt ungefähr so rüber, wie wenn ein Alkoholiker nicht trinkt – als wenn das Ausleben der Sexualität etwas Schlimmes wäre… Nur der Alkoholiker trinkt, weil er süchtig ist. Der Sexualmensch treibt‘s, weil er Triebe hat. Aber wir sind darüber hinaus auch zu Gefühlen fähig – die tötet der Alkoholiker mit dem Grund seiner Sucht: dem Alkohol.

“und komischerweise fehlt auch nichts” war der Folgesatz meines Chat-Partners. Ja, Sex und Sexualität gehören zum Leben. Aber man kann auch gewisse Zeit ohne den sexuellen Akt an sich auskommen. Das ganze Feld ist ja auch viel weiter: Blicke, Tagträume, Berührungen, Erinnerungen, und letztendlich auch die neuen Medien. Ich hätte ihn eigentlich zu seiner Erkenntnis beglückwünschen müssen. Aber zuvor habe ich ihn auch nicht als nymphomanes Sexmonster wahrgenommen.

So sehen aber wohl die US-Militärs ihre homosexuellen KollegInnen – beziehungsweise hätten sie sie wohl so gesehen, hätten sie von deren Neigung gewusst. Das jahrzehntelange menschenunwürdige „Don’t tell“-Gesetz hat nämlich jedem US-Amerikaner die Tür zum Militär geöffnet, auch Homosexuellen, nur mit der einen Einschränkung: Sie dürfen nicht über ihre Neigung sprechen. Das ist deshalb menschenunwürdig, weil es in gewissen Punkten gegen die Meinungsfreiheit geht.

Wie oft habe ich Gespräche unter Männern – die nichts von meiner Homosexualität wussten noch ahnten – miterlebt, in denen ohne Ende Körper von Frauen und sexuelle Handlungen mit denselben bunt-fröhlich diskutiert wurden; oder wenn ich von Unkundigen gefragt werde, „wie’s denn bei mir aussieht“; oder wenn ich im Ausland von Taxifahrern gefragt werde, wie ich denn die Frauen in ihrem Land finde oder wie sie denn in meinem Land sind. Am Anfang antworte ich natürlich mit „hübsch“ etc. Irgendwann geh ich aber dann ins Diplomatische über: „Es gibt Hübsche und weniger Hübsche – so wie überall.“ Dann ist meistens Ruhe. Das ist eindeutig kein StraightMenSpeak. Oder ich tue so, als wenn ich genau in dem Moment nichts verstehe – so wie die Taxifahrer, wenn es um den Preis geht.

Es sind jedoch genau diese Momente, in denen man sich schlichtweg „nicht frei bewegen kann“, im metaphorischen Sinne. Man ist nicht man selbst. Man zeigt der Außenwelt ein falsches Ich. Müsste mir bei Taxifahrern eigentlich ziemlich wurscht sein. Aber selbst in solchen banalen Gesprächen fühle mich nicht frei. Und dennoch beherrsche ich das Überstreifen des Heterokostüms ganz gut. Oft nicht ganz unnütz; aber an sich sollte ich es nicht brauchen müssen…

Diese Art Travestie mussten auch die homosexuellen US-Militärs mitspielen: das Vorspielen einer nicht existierenden Heterosexualität, das Versteckspiel der eigentlichen Empfindungen, das Verneinen möglicher Gefühle. Erinnert an die katholische Kirche [Anm. d. Autors: Ich habe den Text im Januar geschrieben! Jetzt möchte ich auch noch den DFB hinzufügen.], an die konservative Gesellschaft, an ein vergangenes Jahrtausend. Ja, wir sind schon im Jahr 2010.

Zum US-Militär aber jetzt mal blöd gefragt: Wäre es eigentlich nicht besser für alle ängstlichen heterosexuellen SoldatInnen, wenn sie wüssten, vor wem sie die ganze Zeit Angst haben müssen? Ich fände es ja viel unangenehmer, nicht zu wissen, wem ich nicht nackt gegenübertreten darf, oder wem ich nicht meinen Po entgegenstrecken darf (Stichwort „mein Arsch bleibt Jungfrau“), ohne sofort ohne Unterlass vergewaltigt zu werden… Warum geht also die Abschaffung des Gesetzes von den liberalen Bewegungen aus?

Pervers ist sowieso, dass heterosexuellen Männern die Angst vor Homosexuellen inhärent ist; ich sage nur „Ups, die Seife…” Für den wohl bekannten Supergau müssten schon einige besondere Faktoren zusammenkommen: Man stelle sich vor, dass jemand in der Gruppendusche eine Seife fallen lässt und diese aufhebt, indem er sich vorbeugt (man kann dafür übrigens auch in die Knie gehen…) – das in die Luft gereckte entblößte Hinterteil dient prompt allen anderen Männern mit homosexuellen Neigungen ohne Unterlass als Einladung; man stelle sich nun weiter vor, dass ein Mann von der anderen Seite der Dusche mit seinem im Nu erigierten Penis – der Klang des Fallens der Seife auf den nassen Boden als akustischer Auslöser und als visueller die eingeseiften und vom Wasser glänzenden Vierbuchstaben – auf den Seifenaufheber zustürmt und direkt in ihn…

So stand’s schon in der Bibel und so hat’s jeder schon mal erlebt… und vor allem ist das ist der Traum eines jeden Homosexuellen… besonders weil er auch 100%-ig nur daran denkt, sofort zum Höhepunkt zu kommen und von den Umstehenden bejubelt zu werden, und nicht dass die restlichen Anwesenden ihn sofort lynchen würden.

Es ist sowieso interessant, dass die Homophobie zum Einen auf die verweiblichten Schwuchteln gerichtet ist, die Frauenkleider tragen und die Männlichkeit durch den Dreck ziehen, und zum Anderen auf die bärenstarken Dauervergewaltiger ohne Gnade, die ihre übersteigerte Männlichkeit zur bloßen Zerstörung zarter heterosexueller Seelen nutzen. Der Homosexuelle, der Alleskönner und Alleszerstörer.

Aufs Schärfste zu verurteilen sind natürlich Männer, die andere Männer missbrauchen und vergewaltigen. Aber diese Täter zählen sich sicherlich nicht zu den „normalen“ Homosexuellen, wenn sie sich überhaupt als schwul outen würden. Woher deren Fehlverhalten rührt, ist sowieso eine ganz andere Sache. Und männliche Vergewaltiger gibt es auch auf „heterosexueller Seite“. Die Sexualität/Neigung spielt dabei auch an sich keine Rolle, Liebe und Zuneigung fehlen in diesen Fällen komplett. Eine Geschichte, die ich vor Kurzem gehört habe unterstreicht dies: Bei den letzten Protesten gegen die Regierung im Iran habe es auch Gefängnisaufstände gegeben; die Gefängniswärter sollen daraufhin die Insassen reihenweise vergewaltigt haben – als Strafe. Rein heterozentristisch blieben die Wärter als Penetrierer (und Strafender) auch heterosexuell – die Insassen wurden zur Strafe quasi homosexualisiert…

Dabei ist in gewissem Maße anzumerken, dass Gefängniswärter auch arme Schweine sind. (Wiederum: Welches Kind sagt, es möchte, wenn’s mal groß ist, Gefängniswärter werden!?) Bei den Gefangenen besteht schließlich die Möglichkeit entlassen zu werden, die Aufpasser sind selber viel länger „drinnen“. Bevor ich dieses Thema jedoch ausbaue, empfehle ich den spanischen Film Celda 211.

Zurück zum Anfang. Meine Homosexualität ist gewissermaßen auch auf Eis. Passiert ja nichts, bewege mich aber auch nicht in der „Szene“ – eher im Gegenteil: im familiären Kreis. Zu allem Überfluss wollen es meine Eltern nämlich (immer noch) nicht wahrhaben: „Findest du keine?“ Nein, ich finde keine und auch keineN. Auch meine Eltern haben meine Neigung aufs Eis manövriert – mal sehen, wann meine Homosexualität ins kalte Wasser einbricht. Oder breche ich irgendwann ein und werde aus totaler Verzweiflung eine Frau heiraten? Nein, das wäre ja der Untergang der Welt… Schmarrn, meine Sexualität müsste ich dann nur außerehelich ausleben. Also rein theoretisch… na ja, Schmarrn bleibt Schmarrn.

Vielleicht sollte ich mal doch mal in der Szene aufkreuzen. Oder wenn schon andere ihre Neigung auf Eis legen, kann ich mal versuchen, meine Homosexualität aufs Kreuz zu legen. Probier ich mal, mal sehen, was dann passiert.

Hamburg Hauptbahnhof

Liebe Fahrgäste, wenn nichts mehr dazwischenkommt, erreichen wir Augsburg Hauptbahnhof um 13.35 Uhr.

Wenn nichts mehr dazwischenkommt… Welche Möglichkeiten es dafür wohl gibt?! Egal, da ich in einem direkten IC Hamburg-Augsburg sitze, kann ich keine Anschlusszüge verpassen.

Noch stehe ich auf dem Gleis 11a/b am Hamburger Hauptbahnhof. Es ist frühe kalte 7.15 Uhr, Montag vor Weihnachten. Draußen herrscht immer noch der Winter mit Minusgraden. Drinnen herrscht auch der Winter: der Hamburger Hauptbahnhof ist nämlich nirgends wirklich geschlossen.

Während ich auf den mal 10 Minuten, mal 5 Minuten verspäteten Zug warte – gut, auf diese Verspätung hätte ich schon verzichten können –, echauffiere ich mich immer noch über die gerade erlittene Abzocke. (Wenn das mit dem Echauffieren doch auch nur wörtlich klappen würde, wäre die Verspätung auch nicht schlimm gewesen.) 5,60€ für ‘n großen Togo-Cappuccino und ein belegtes Käsebrötchen. 2,90€ für den Kaffee war angeschrieben – 3€ für die Ciabattas bzw. Ciabatte (!) auch –, der Brötchen-Preis allerdings nicht. Obacht! So kann man dann beim Zahlen auf einmal 2,60€ für ein belegtes Mohnbrötchen verlangen…

Ich sollte zu so früher Stunde vielleicht keine Geldgeschäfte tätigen. Oder mir jedes Mal bewusst machen, was ich da tue. Man sollte sich auch generell öfter weigern, zu bezahlen, auch wenn die Waren schon aufm Tresen stehen. Zum Einen ist der Kunde ja auch König, und zum Anderen sollten wir als Kunden auch den Preis bestimmen.

Wenn ich das hier jetzt aber noch mal lese, stelle ich aber auch fest, dass man manchmal einfach gelassener sein sollte. Passiert ist passiert, und beim nächsten Mal handle ich einfach klüger; oder ich lass den fordernden Kunden raushängen:

Warum also nicht mal nachhaken „Ähm, ‘tschuldigung, wie viel kostet das bitte? Wie können Sie für ein belegtes Brötchen genauso viel verlangen wie für ein Pesto-Ciabatta?“ Nun, wenn da nicht immer die Schlange hinter einem wäre… aber ist nicht genau das vielleicht auch die Chance? Die Chance, die Leute wachzurütteln, dass sie sich nicht alles gefallen lassen? Eine Revolte? Oder hätt’ ich nicht doch zum McDonald’s gehen sollen, wo der Kaffee ja bekanntlich billig ist, aber auch nicht so schlecht?

Wie auch immer, ich sollte einfach meine eigen aufgestellten Regeln beherzen und das, was ich kaufen will, vorher ausrechnen, oder nach dem Preis fragen und mir dann eine Bedenkzeit gönnen. Wenn die Leute hinter mir es eilig haben, tut’s mir leid (oder auch nicht, oder ich bin es leid), aber man sollte sich bei Kaufgeschäften grundsätzlich nie stressen lassen und immer schön nachfragen. Die Verkäufer sollten sich ja auch Gedanken machen und nicht nur horrende Preise ansetzen.

Augen auf beim Imbisskauf

31 Stunden zuvor hätte ich in einem anderen McDonald’s auch auf meinem Kundenrecht bestehen und ein Storno verlangen sollen. Da ich kein regelmäßiger Fast-Food-ianer bin, ist mir entgangen, dass es seit rund einem Jahr keine 1€-Pommes mehr gibt – warum auch immer. Sonst bestell’ ich mir auch immer nur zwei Burger, und gut ist.

Jetzt benötigte ich aber mehr, damit der Wodka in mir aufgesaugt wird; schlimmer noch wirkte jedoch der über den Tag angesammelte Wassermangel. „Ein’ Cheeseburger, bitte, und ‘n Chickenburger…“ „Und eine kleine Pommes?“ „Ja, genau, und dazu noch Ketchup.“ Für welches ja bekanntlich in Deutschland immer noch gezahlt werden muss , und zwar 0,15€. Was gibt’s woanders sackweise Tüten dazu oder einfach große Saucen-Behälter! Warum haben wir in unserem Umwelt-Deutschland noch nicht diese Behälter? Na ja, immerhin zahlen wir für die Tüten und damit die absolut unnötige Extra-Umweltbelastung… „Macht Drei Euro Fünfundachtzig.“ „Was!?“ „Ja, die Pommes gibt’s nicht mehr für einen Euro.“ „… und das kann man jetzt nicht mehr rückgängig machen?!“

„Nein!“ Bullshit. Da ruft man normalerweise den Chef, der kommt mit dem Kassenschlüssel und macht das Sofort-Storno fix. Das sollte auch Samstag Nacht um 0.30 Uhr möglich sein. Ohne groß an meine Rechte zu denken oder darauf zu bestehen, füge ich mich hungrig und trunken in mein idiotisches Schicksal – um mich danach darüber die ganze Zeit aufzuregen…

In diesem Sinne: Nicht jammern, sondern handeln! Kämpft für eure Rechte! Es kommt ja öfter vor, dass man verarscht wird; aber es darf nicht (mehr) passieren, dass man das kampflos hinnimmt.

… Fortsetzung folgt …